PANEL b DOKU

Panel b: Recht und Kunst

Freitag, 16. November, 12 Uhr, Campus
Samstag, 17. November, 10 Uhr, Solitär für Recht und Ordnung
Kurator: Prof. Dr. Matthias Rossi, Universität Augsburg
(Audiomitschnitt vom Freitag zum Download)

Bevor Juristen über Kunst sprechen, kann es zunächst auflockernd wirken, vermeintliche Vorurteile aus dem Weg zu räumen. So lässt Prof. Matthias Rossi zur Eröffnung seines Panels die Differenz zwischen kreativen Künstlern und formellen Juristen nicht unerwähnt, welche Zweifel an einer gegenseitigen Befruchtung aufkommen lassen könnte. Doch spätestens bei dem Stichwort Urheberrecht wird schnell klar, das auch das Recht, ähnlich wie das Museum (in Panel a), der Kunst in einer dienenden Funktion gegenüberstehen kann. Besonders angesichts der Herausforderungen von Digitalisierung und Internet möchten sich Eigentümer von Kunstwerken oder Kunstschaffende auf eine Rechtslage stützen können, welche ihnen Sicherheit bietet. Dementsprechend zeichnet sich auch eine öffentliche Erwartungshaltung an den Staat ab, durch Gesetze einerseits regulierend, andererseits fördernd auf den Kunstmarkt einzuwirken.

Das kontroverse Kulturgutschutzgesetz

Kontrovers lässt sich dieser Anspruch an dem »relativ jungen« Kulturgutschutzgesetz diskutieren. Hierfür wurde als Expertin Benita Böhm geladen, welche als Rechtsanwältin auf dem Gebiet des
Kunst- und Stiftungsrechts arbeitet und derzeit über den Abwanderungsschutz von Kulturgut an der Universität Regensburg promoviert.

Das Kulturgutschutzgesetz, welches am 6. August 2016 verabschiedet wurde und die Abwanderung von national bedeutsamer Kunst ins Ausland regulieren sollte, löste im Vorfeld heftige Kritik auf Seiten der Künstler und Kunstsammler aus. Diese befürchteten, dass ihre Werke durch die neue, strengere Gesetzgebung nicht mehr ins Ausland verliehen oder gar auf den – lukrativeren – Märkten in Großbritannien und den U.S.A. – veräußert werden dürften. Der Maler und Bildhauer Georg Baselitz zog deshalb prophylaktisch noch vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes seine Dauerleihgaben aus deutschen Museen ab. Auf die Nachfrage, ob Baselitz wirklich etwas zu befürchten gehabt hätte, verweist Frau Böhm auf »geleakte« Dokumente, aus denen vorab ersichtlich wurde, dass der erste Gesetzesentwurf durchaus eine erhebliche Regulierung des Verleihs von national wertvollen Kunstwerken vorsah.

In seiner letztlich verabschiedeten Fassung sieht das Gesetz aber verschiedene Ausnahmen von dem grundsätzlich Verbringungsverbot vor, wie Frau Böhm weiter erläutert, so dass die anfänglichen Bedenken von Betroffenen entkräftet seien. Denn für die Ausfuhr von geschützten Werken wurden verschiedene Optionen eingerichtet, eine Genehmigung zu erhalten, die z.B. für häufig verliehene Werke zusätzlich bürokratische Erleichterungen vorsieht. Eine Gefährdung für den Leihverkehr besteht somit aus Sicht der beiden Juristen nicht.

Das Thema sorgt aber auch deshalb für kontroversen Gesprächsstoff, weil es keine objektive Definition für ein »Identität stiftendes Kunstwerk« gibt und das Urteil letztlich immer von einem Gremium abhängt, welches dann im Einzelfall entscheiden muss. Fraglich ist auch, ob nicht als Konsequenz aus dieser Regulierung, die vermutlich große Zahl an (geraubter) wertvoller Kunst anderer Nationen, zurückgeführt werden müsste.

Der juristische Stellenwert des Urheberrechts und das gedeckelte Folgerecht

Im zweiten Vortrag des Panels b widmet sich Prof. Dr. Klaus Weber dem Urheberschutz von Bildwerken. Hier ist vor allem ein aktueller Fall vom 31. Oktober 2018 brisant, bei dem das Reiss-Engelhorn Museum in Mannheim gegen die Veröffentlichung einer Lichtbildkopie eines ihrer Gemälde in Wikipedia klagt. Das Bild stammt von 1769, und da das Urheberrecht 70 Jahre nach dem Tod des Schöpfers erlischt, stellt sich die Frage, inwieweit hier noch ein Anspruch des Museums auf ausschließliches Nutzungsrecht besteht.

Wichtig bei diesem Fall ist die Unterscheidung zwischen Lichtbildkunst und einer Fotografie. Wer einfach nur mit seinem Handy ein Urlaubsbild knipst, der erschafft rechtlich gesehen nur eine Fotografie – das Gesetz spricht insofern von Lichtbildern. Wer mit größerem Aufwand und der Berücksichtigung stilistischer Merkmale ein Bild anfertigt, der erschafft Lichtbildkunst – das Urheberecht spricht insofern von Lichtbildwerken. Falls es sich bei der Fotografie des Gemäldes um ein Lichtbildwerk handelt, so hätte der Eigentümer ein ausschließliches Nutzungsrecht an dem Werk und könnte bestimmen, wer die Fotografie des Gemäldes publizieren darf. Auf das ausschlaggebende Urteil muss jedoch noch gewartet werden.

Der zweiten Frage, der sich Prof. Weber an diesem Samstagvormittag annähert, ist, inwiefern ein Künstler nach dem Verkauf seines Bildes noch die Möglichkeit hat, am weiteren Gewinn dieses Werkes zu partizipieren. Generell lässt sich erst einmal sagen, dass der Künstler nach dem Verkauf seiner Kunst das Urheberrecht verliert. Jedoch hat er durch das sogenannte Folgerecht einen gestaffelten Anspruch von 4 % bis 0,25 %, je nach Wert des Veräußerungserlöses, mit einer Deckelung von 1.500 €. Vor der EU-weiten Einigung auf ein einheitliches Folgerecht, gab es diese Deckelung nicht und es bestand immer ein Anspruch von 0,5 %. Allerdings ist dies nun innerhalb der gesamten EU geregelt, denn außerhalb der EU existiert so ein Gesetz nicht.

Interessant ist außerdem die Einschätzung des Juristen, dass das Urheberrecht generell in der Rechtsprechung einen sehr hohen Stellenwert besitzt, da bei einer Urheberrechtsverletzung eine vergleichsweise hohe Strafe von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe droht.

Ab wann macht man sich mit einem Bild strafbar?

Mit Strafrecht geht es dann nach einer kurzen Pause weiter – mit dem Vortrag von Dr. Rebecca Heiß. Ihr Anliegen ist es, den neuen strafrechtlichen Bildnisschutz nach § 201a StGB zu erläutern. Stark vereinfacht lässt sich sagen, dass sich strafbar macht, wer unbefugt ein Bild herstellt oder überträgt, welches eine andere Person in einem besonders geschützten Raum (z.B. gegen Einblicke geschützte Wohnung), intimen Moment, ihrer Hilflosigkeit oder Nacktheit darstellt oder dem Ansehen der abgebildeten Person erheblich schadet.

Durch die rasante Ausbreitung von Handys mit hochauflösenden Kameras und das gleichzeitig stark simplifizierte Veröffentlichen von Bildern mittels Apps, scheint es sich dabei um eine notwendige Anpassung des Gesetzestextes zu handeln. Eine Schwachstelle sieht die Referentin jedoch in der Tatsache, dass sich nach dem Gesetz nicht strafbar macht, wer auf seinen Bildern eine Leiche fotografiert. Das bedeutet konkret: Wer bei einem Unfall ein paar Minuten früher sein Handy zückt und damit ein Bild einer sterbenden Person anfertigt, macht sich strafbar. Wer jedoch ein bisschen später dran ist und eine bereits gestorbene Person fotografiert, nicht.

Der Konflikt der Straßenfotografie

Das Panel befasst sich abschließend mit der konfliktreichen Schnittstelle zwischen Straßenfotografie und Recht. Straßenfotografie, so erklärt es Prof. Rossi in seinem Vortrag, bildet Personen in der Öffentlichkeit nicht als Individuen, sondern als Typen ab. Alles dreht sich um den natürlichen und einzigartigen Moment einer Szenerie, so wie sie sich im Alltag ergibt. Das können die verschiedensten Straßenszenen sein, z.B. der alte Mann, der sich am Kiosk Pommes kauft, oder das durch eine Gasse flanierende Liebespaar. Dieses fotografische Kunstgenre ist in Deutschland in besonderer Hinsicht mit dem Recht verwoben, da hier (notwendigerweise) ohne die Einverständnis der fotografierten Personen Bilder entstehen.

Die Straßenfotografie erzeugt einen deutlichen Konflikt zwischen Kunstfreiheit und allgemeinem Persönlichkeitsrecht mit der Frage, ob diese Bilder überhaupt im höheren Interesse der Kunst stehen. Allgemein lässt sich sagen, dass eine Person sich immer in einem Spannungsfeld zwischen Individuum und Gemeinschaft im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit befindet. Umso mehr man sich also in einen öffentlichen Raum begibt, umso weniger besteht der Schutz auf z.B. auf allgemeine Handlungsfreiheit.

In einem von Prof. Rossi geschilderten Fall, bei dem eine auf einer Straßenfotografie abgebildete Person gegen den Fotografen klagte, der ihr Bild an einer vielbefahrenen Straße in Berlin ausstellte, entschied das Bundesverfassungsgericht, dass Straßenfotografie generell Kunst sein kann und somit im Sinne der Kunstfreiheit ein höheres Interesse einzuräumen ist. Dennoch musste der Fotograf der betroffenen Person jedenfalls die Rechtsanwaltskosten für den von ihr angestrengten Prozess zahlen, denn durch den besonderen Ausstellungsort wurde die Klägerin einer breiten Masse als Blickfang ausgesetzt.

Abschließend steht auch hier fest, dass es schwierig ist, Kunst zu definieren. Nicht jede Straßenfotografie muss automatisch Kunst sein, wobei die Gewichtung der Kunstfreiheit auch kunstspezifische Gesichtspunkte und strukturtypische Merkmale im Blick haben sollte. Im Fall einer Klage muss dann aber immer noch über die Umstände (z.B. Art und Weise der Zurschaustellung) der fotografierten Person entschieden werden. Als Fazit aus diesem Panel ziehe ich, dass Recht zwar nicht für jeden offensichtlich mit der Kunst in Verbindung steht, jedoch im Hintergrund sehr viel enger verstrickt ist, als man anfangs vermutet. Das Recht verleiht Künstlern einen gewissen Grad an Sicherheit, z.B. in Form des Urheberrechts und es räumt der Kunst auch juristisch einen hohen Stellenwert ein, wenn zwischen Kunstfreiheit und Persönlichkeitsrecht abgewogen werden muss. Des Weiteren mischt sich das Recht mit dem Abwanderungsschutz auch in die Bedeutung von Kunst für die Gesellschaft ein, auch wenn dessen konkrete Umsetzung sich durchaus der Kritik der Betroffenen annehmen darf. (Severin Werner)

 

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